Letzte Party unterm Wellblechdach

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    • Letzte Party unterm Wellblechdach

      Fans des EHC Eisbären nehmen heute Abschied von ihrer Kult-Spielstätte in Hohenschönhausen. Nach 18 gewonnenen Meistertiteln zieht das DEL-Team um in die O2 World

      Die Puhdys können heute nicht dabei sein. Aber ohne ihre Eisbären-Hymne geht im Wellblechpalast nun mal gar nichts. Darum springt eine Coverband für die Ostrocker ein. Den Fans des EHC wird es nichts ausmachen. Hauptsache, sie können ihr Lied mitgrölen, das eindringliche "Hey, wir woll'n die Eisbären sehen", das längst über das Sportforum Hohenschönhausen hinaus ein mehrheitsfähiger Partysong geworden ist. Vielleicht donnert der Gesang heute sogar leidenschaftlich wie nie zuvor durch die Eishalle 1. Die Fans nehmen mit einer großen Party (Beginn 18.30 Uhr) Abschied. Der Berliner Eishockey-Verein zieht zur neuen Saison vom Wellblechpalast in die O2 World am Ostbahnhof.


      Es ist der Aufbruch in eine neue Welt, die alte bleibt zurück - und mit ihr ein Stück Geschichte, die des Eishockeys in Hohenschönhausen. Sie begann 1954 mit dem SC Dynamo, aus dem nach der Wende die Eisbären wurden. Die Dachkonstruktion, die der Eishalle Jahrzehnte später ihren Namen einbrachte, gab es noch gar nicht. Erst in den 60ern kam das Wellblech drauf. "Da mussten wir Spieler auch Arbeitsstunden leisten und Material tragen", erinnert sich Hartmut Nickel.

      So eng verbunden mit der Halle wie er ist kein anderer. "Den größten Teil meines Lebens habe ich dort verbracht", sagt der Co-Trainer der Eisbären. 1963 kam er als Spieler aus Weißwasser, arbeitete später als Chef- und Assistenztrainer. Nur für ein dreijähriges Intermezzo in Hannover verließ er den Verein. Der 63-Jährige erlebte alle Meisterschaften mit - die 15 in der DDR und die drei in der BRD. Niemand kennt die Geschichte seiner Spielstätte besser. Die Überdachung war seinerzeit ein riesiger Fortschritt. Kein Regen, kein Wind oder Schnee störte mehr, nicht die Spieler und nicht die Zuschauer, die damals auf Holzbänken saßen. Sogar die Bande war aus Holz, "deshalb klemmten die Türen immer".

      Dach über dem Kopf - ja, Kabinen in der Halle - nein. "Die wurden erst nach der Wende gebaut", sagt Nickel. Etwa 70 Meter mussten die Profis zur Halle zurücklegen. Zu Spielen durften sie später trockenen Fußes durch die Gaststätte gehen. "Durch alle Fans hindurch, den Bierdunst und den Qualm. Wir wurden ausgemeckert, wenn wir verloren hatten. Das war schon extrem", erzählt Nickel. Vor allem, weil die Eisbären in ihren ersten Bundesliga-Jahren sehr oft verloren.

      Die Stimmung litt nicht darunter. In dieser Zeit wurde der Kult um die Eisbären geboren. Verloren, aber trotzdem Spaß gehabt, so lief das. "Wenn bei uns der Funke übersprang, hatte jeder Schweißperlen auf der Stirn", sagt Nickel. Etliche Spieler waren schon beeindruckt von der Kulisse im Welli, wie die Halle von den Fans genannt wird. Gerade die Spiele gegen den Lokalrivalen Preussen, bei denen sich statt der erlaubten 4695 gut 7000 Zuschauer auf den Tribünen drängten, wird niemand vergessen. Auch nicht das legendäre 8:7 im letztlich verlorenen Play-off-Finale gegen Mannheim 1998. Auch nicht das Schlachtruf-Ritual "Uffta" oder das lang gezogene "Dy-na-mo".

      Zu DDR-Zeiten, als die von der Staatssicherheit unterhaltenen Dynamos aus Berlin und Weißwasser in der kleinsten Liga der Welt den Meister ausspielten, kamen nur selten viele Zuschauer. Bei den Europapokal-Partien, gerade gegen West-Klubs, da war es voll. Aber wie damals üblich mit ausgesuchtem Publikum. Nickel: "Echte Fans hatten kaum eine Chance, an Karten zu kommen. Entsprechend war die Stimmung."

      Das änderte sich in den 90ern, die Leute kamen plötzlich, die Eisbären-Familie wurde immer größer. Der Wellblechpalast entwickelte sich zum Zufluchtsort. Nach der Wende verloren viele in den Plattenbausiedlungen von Hohenschönhausen den Halt. In der Halle vergaßen sie den tristen, oft von Arbeitslosigkeit geprägten Alltag. Sie litten mit der Mannschaft, die sich als einziger Vertreter aus dem Osten der Konkurrenz aus dem Westen entgegenstellte. Eishockey war im Wellblechpalast immer auch Klassenkampf. Das trotzige "Ost, Ost, Ost Berlin" schallte durch die Halle. Daraus bezog der Kult um die Festung in Hohenschönhausen seine Nahrung. Sogar ein Film über die Trutzburg tief im Berliner Osten wurde gedreht. "Heimspiel"-Regisseur Pepe Danquart ist heute bei der Party dabei.

      In der neuen Halle spielt die Vergangenheit nur noch eine Nebenrolle, auch wenn die Banner mit den Legenden der Vereinsgeschichte aufgehängt werden. Es geht nicht mehr um einen Ausdruck von Protest, sondern nur noch um Spaß für die ganze Familie. Nach amerikanischem Vorbild. Das war immer das Ziel des EHC-Besitzers Philip Anschutz, der den Verein 1999 vor dem Ruin rettete und nun die neue Großarena baut.

      Für Sentimentalität ist dort kein Platz mehr. Doch von der anfänglichen Kritik ist schon lange nichts mehr zu hören. Der Umzug ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit für den Verein, der den Anschluss an die modernen Zeiten nicht verpassen will. Immerhin wird es für die Fans der alten Schule sogar knapp 2000 Stehplätze geben.

      Den Abschied hat die Mannschaft den Fans so schön wie möglich gestaltet. Sie gewann Pokal und Meisterschaft, die dritte in den vergangenen vier Jahren, und lieferte in der letzten Partie im Wellblechpalast ein atemberaubendes Spiel (4:3 im dritten Finalmatch gegen Köln), das wohl in die Kategorie der unvergesslichen Abende in Hohenschönhausen eingehen wird.

      Ganz wenden sich die Eisbären aber nicht ab vom alten Wellblechpalast. DEL-Eishockey wird es nicht mehr geben, doch die Mannschaft trainiert weiter dort. Und für alle anderen Eisbären-Teams wird die Halle im Sportforum auch zukünftig das Zuhause bleiben.

      Aus der Berliner Morgenpost vom 25. Mai 2008
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      :men: On the 8th day............. God created HOCKEY :men: